1. Zum Verständnis des Begriffs Kommunikationsguerilla und seiner

Der Begriff Kommunikationsguerilla wurde erstmals 1967 von Umberto Eco in seinem Vortrag „Für eine semiologische Guerilla“ auf dem Kongress „Vision ’67“ des International Center for Communication in New York verwendet[1]. Er sprach sich dort gegen eine kulturpessimistische Sicht der Massenmedien aus, bei der der „Adressat der massenmedialen Botschaft nur noch eine globale ideologische Lektion, den Appell zur narkotisierenden Passivität“ [2] erhält

Die Beschreibung der massenmedialen Kommunikationskette und die Schlüsse, die Eco daraus zieht, können als theoretische Grundlage aller Praktiken der Kommunikationsguerilla bezeichnet werden. Eco geht von folgendem Modell einer medialen Kommunikationskette aus: Eine Quelle sendet mittels eines Sendegerätes ein Signal durch einen Kanal. Dieses Signal wird am Ende des Kanals „durch ein Empfangsgerät in eine Botschaft zum Gebrauch des Empfängers verwandelt“[3].Voraussetzung dafür, dass die Botschaft an ihrem Ziel wieder entschlüsselt werden kann, sei die Existenz eines für die Quelle und den Empfänger gemeinsamen Codes. Laut Eco ist ein Code „ein im Voraus festgelegtes System von Wahrscheinlichkeiten, und nur anhand des Codes kann der Empfänger entscheiden, ob die Elemente der Botschaft intentional sind (von der Quelle gewollt) oder Folgen der Störgeräusche.“[3]

Daraus zieht Eco den Schluss, dass die Botschaft eine leere Form ist, die vom Empfänger mit verschiedenen Bedeutungen gefüllt werden kann, je nachdem welchen Code er auf sie anwendet. Somit erlangt der Empfänger eine Interpretationsfreiheit zurück, die ihm unterschiedliche Betrachtungen der einen Botschaft ermöglicht.[4] Somit sei es der Empfänger der die Botschaft kontrolliert und nicht die Quelle, von der sie ausgegangen sei.

Eco fordert nun eine Guerillataktik, deren Ziel es ist, „überall auf der Welt den ersten Platz vor jedem Fernsehapparat zu besetzen“[5], um somit die übermittelte Botschaft kontrollieren zu können. Von dieser eher autoritären Vorstellung von einer Kontrolle der Botschaft hat sich die heutige Kommunikationsguerilla entfernt. Ihr geht es weniger darum eine bestimmte Interpretation der Botschaft zu verbreiten als die Interpretationsvariabilität aufzuzeigen. Die Kommunikationsguerilla macht sich also diese Theorie zu Nutzen und führt in den medialen Kommunikationsprozess ein „Störgeräusch“ ein, dass es ermöglicht, die Botschaft anders wahrzunehmen und somit den Code der für ihre „korrekte“ Entschlüsselung außer Kraft zu setzen. Somit übt die Kommunikationsguerilla in erster Linie keine Kritik am Inhalt der Botschaft, sondern an der Vorgabe diese Botschaft auf eine bestimmte Weise interpretieren zu müssen.

Umberto Eco beschränkt sich in seinem Vortrag auf die massenmediale Kommunikation. Im „Handbuch der Kommunikationsguerilla“ hingegen, werden die Codes zur Entschlüsselung der Botschaft als ein allgemeines Regelsystem, als eine „kulturelle Grammatik“ bezeichnet, die alle Arten von Kommunikation im Alltag oder medial, strukturiert. Die „kulturelle Grammatik“, bestehe zum Beispiel aus ästhetischen Codes und Verhaltensregeln, aus dem Erscheinungsbild von Objekten und dem Ablauf von Situationen. [6] Diese Regeln blieben jedoch, wie die Codes bei Eco im Verborgenen, da sie „als etwas historisch Gewordenes zu einer scheinbar natürlichen Gegebenheit“[7] geworden seien. Gleichzeitig seien diese Regeln Ausdruck von gesellschaftlichen Machtverhältnissen, die hinter dieser „Natürlichkeit“7 verborgen blieben.

Als Beispiel wird hier eine typische Vortragssituation genannt, in der von der Ausrichtung der Stühle auf das Podium, bis zur Entscheidung, wer wann sprechen oder klatschen darf, alles im Vorhinein durch unaufgeschriebene Regeln festgelegt ist. Würden diese Regeln nicht beachtet, könne eine solche Vortragssituation nicht funktionieren. Würde beispielsweise das Publikum an Stellen klatschen, an denen eigentlich nicht geklatscht wird oder würde es sich mit dem Rücken zum Podium setzten, torpedierte es damit die ganze Veranstaltung, die vorbereitete Rede würde gestört, die „Informationen“ könnten nicht so wie geplant vermittelt werden. An genau dieser Stelle setzt die Kommunikationsguerilla an. Ihr Ziel ist es gerade diese Regeln zu stören und sie dadurch sichtbar zu machen.

Im „Handbuch der Kommunikationsguerilla“ taucht der Begriff erstmals als Bezeichnung einer Gruppe von Künstlern und Aktivisten auf, die sich als Ziel gesetzt hat die Kommunikationscodes und mit ihnen die „natürlichen“ Machtverhältnisse anzugreifen. Als Begründung der Wahl des Begriffs für diese Bewegung geben die AutorInnen an, der Begriff umfasse alle Konzepte und Agitationsformen der Kommunikationsguerilla, da sie alle auf gesellschaftliche Kommunikationsprozesse Bezug nehmen[8], „die Kommunikation zwischen Medien und Medienkonsumentinnen, die Kommunikation im öffentlichen oder sozialen Raum sowie die Kommunikation zwischen gesellschaftlichen Institutionen und Individuen“[9].

Die Kommunikationsguerilla besteht aus den verschiedensten Gruppen und Einzelpersonen aus den westlichen Industrieländern, die sich nur in einem Punkt gleichen, ihrem Ziel auf bestimmte Missstände in eben diesen westlichen Gesellschaften aufmerksam zu machen. Die Kommunikationsguerilla faked, kopiert, entfremdet, verrückt, montiert, zerstückelt und verändert das, wogegen sie angehen will, wie z.B. die Werbung; das Auftreten der Konzerne oder der Politiker. Große Themenfelder sind beispielsweise die Macht der Konzerne, Manipulation durch Werbung und Einfluss der Medien.

Im anglophonen Sprachraum werden die Kommunikationsguerilleros als Culture oder Cultural jammer (jammer: Störsender, to jam: blockieren, einklemmen, festklemmen) bezeichnet. Mark Dery bezieht sich in seinem richtungsweisenden Aufsatz „Culture Jamming: Hacking, Slashing and Sniping in the Empire of Signs“ ebenfalls auf Umberto Ecos „Für eine semiologische Guerilla“. Der Begriff Cultural Jammer ist lediglich eine andere Bezeichnung für das selbe Phänomen bzw. die selbe Bewegung.

Kommunikationsguerilleros wie Cultural Jammer sehen ihren Ursprung in der Studentenbewegung der 60er und 70er Jahre. Neben den theoretischen Grundlagen, wie Ecos Überlegungen zur Kommunikation datieren auch die ersten Aktionen in dieser Zeit. Die Situationistische Internationale wird als Vorreiter oder Beginn der heutigen Kommunikationsguerilla verstanden. Die Gruppe lehnte beispielsweise eine Verwendung der von ihnen entwickelten künstlerischen Formen außerhalb eines politisch-revolutionären Kontextes ab. Sie entwickelte neue Formen der Subversion und forderte die „Einführung der Guerilla in den Massenmedien…“[10]

Auch die Plakatkunst im Sinne der Kommunikationsguerilla erlangte in dieser Zeit große Bekanntheit. Ein populäres Beispiel ist das Plakat von Jürgen Holtfreter von 1973 für den Sozialistischen Deutschen Studentenbund, für das er als Vorbild ein Werbeplakat der Deutschen Bahn verändert hat. In ironisierender Weise wird hier auf ein Plakat der Deutschen Bundesbahn Bezug genommen, das denselben Slogan verwendet.

Die Kommunikationsguerilla kann grob in zwei Strömungen unterteilt werden. Es gibt Gruppen, die in performativen Aktionen in bestimmte Räume eindringen und hier ihre aufdeckenden Strategien anwenden. Andere arbeiten rein auf der Ebene der ästhetischen Oberfläche, z.B. mit Eingriffen in Werbeplakate oder durch das Entwickeln neuer Produkte. Der Pariser Brand-Hacker Ora-Ito veränderte beispielsweise den Apple-Laptop zu einem hack-mac, der ganz in Tarnfaben gehalten, unterm dem Apple Logo mit dem Motto Think Weapon vermarktet wurde.[11]

Beide Strömungen können nicht unabhängig voneinander gesehen werden. Ihre Strategien lassen sich manchmal nicht genau einer dieser beiden Gruppen zu ordnen. Dennoch ist diese Unterscheidung hilfreich, um einen Überblick über die ganze Bewegung zu bekommen. In dieser Arbeit sollen nun aus diesen beiden Gruppen zwei verschiedene künstlerische Strategien untersucht und einander gegenübergestellt werden. Ich beschränke mich hierbei auf die amerikanische Gruppen „The Yes Men“, deren Hauptaugenmerk auf der Performance liegt und auf die kanadische Gruppe „Billboard Liberation Front“, die sich auf Eingriffe in öffentliche Plakate spezialisiert hat. Die beiden Gruppen können stellvertretend für die zwei wichtigen Strömungen innerhalb der Bewegung der Kommunikationsguerilla gesehen werden. Es soll nun jeweils eine Arbeit der Gruppe untersucht werden, wobei der Fokus auf den von ihnen eingesetzten künstlerischen Strategien liegt.